Eine Stiftung für die Lebenshilfe
Der drittgrößten Arbeitgeber des Landkreises erwirtschaftete 2024 einen leichten Gewinn. Auch der Umsatz, die Zahl der Mitarbeitenden sowie die Zahl der von ihm betreuten Personen sind weiter gestiegen. Gleichzeitig steht die Lebenshilfe für die Grafschaft großen Herausforderungen gegenüber. Sie befürchtet eine Verknappung der finanziellen Ressourcen im Sozialbereich und sucht nach neuen Wegen, um ihre Angebote zukunftssicher aufzustellen.
Die Lebenshilfe für die Grafschaft möchte eine eigene Stiftung gründen. Das erklärten der Vorstandsvorsitzende Dirk de Boer und Geschäftsführer Thomas Kolde bei der Mitgliederversammlung am 24. September 2025 in Nordhorn. Grund dafür ist, dass die Lebenshilfe wachsenden Herausforderungen gegenüber steht. Wie bundesweit viele andere soziale Träger, befürchtet das Unternehmen Kürzungen bei den staatlichen Leistungen für Menschen mit Beeinträchtigung.
„Wir müssen damit rechnen, dass in Zukunft weniger Mittel zur Verfügung stehen als aktuell und in der Vergangenheit“, sagte de Boer. Es sei bereits sehr deutlich zu spüren, dass die Verhandlungen mit den Kostenträgern schwieriger werden, bestätigte Kolde. Eine Stiftung könne dabei helfen, bestehende Angebote zukunftssicher aufzustellen. Sie soll keine der bisher bestehenden Strukturen der Lebenshilfe ersetzen, sondern als weiteres Standbein neue finanzielle Perspektiven schaffen. „Nach dem Motto: Wir brauchen eine Stiftung neben dem Verein“, sagte de Boer.
Mit 1.125 Mitarbeitenden ist die Lebenshilfe der drittgrößte Arbeitgeber im Landkreis Grafschaft Bentheim. Im aktuellen Geschäftsbericht verzeichnet sie eine positive Bilanz. Von 2022 bis 2024 stieg die Zahl der Mitarbeitenden um 100 Personen und die der betreuten Personen von 2.500 Menschen auf 2.700. Auch der Umsatz lag mit knapp 60 Millionen Euro deutlich über den Vorjahren: 2022 waren es noch 49 Millionen gewesen, ein Jahr später 54 Millionen. „Besonders im Kita-Bereich haben wir unsere Angebote bedarfsorientiert ausgebaut“, sagte Kolde.
So gelang es der Lebenshilfe 2024, einen Überschuss von knapp 250.000 Euro zu erwirtschaften. Das ist nicht viel angesichts des Umsatzes von knapp 60 Millionen Euro, doch immerhin schreibt das Unternehmen damit keine Verluste. „Worüber wir uns sehr freuen und was angesichts der aktuell schwierigen Situation in unserem Bereich nicht selbstverständlich ist“, sagt de Boer. Darauf ausruhen könne man sich jedoch nicht. Auch im Hinblick auf anstehende Großprojekte, wie der Neubau der Werkstatt am See in Nordhorn, der mit derzeit 15 Millionen Euro veranschlagt ist und damit die bisher größte von dem Unternehmen je getätigte Investition wäre.
„Die Lebenshilfe hat sich in den 62 Jahren seit ihrer Gründung großartig entwickelt“, sagte Kolde, der sich auch zuversichtlich äußerte, dass diese positive Entwicklung nicht zu Ende sei. „Doch die finanziellen Herausforderungen sind extrem groß geworden.“ Das mache sich nicht nur durch staatliche Kürzungen bemerkbar, sondern auch bei den sogenannten Haussammlungen. Hat der Verein der Lebenshilfe zu Höchstzeiten (2009 und 2010) damit jährlich etwa 100.000 Euro Spendengelder erzielt, waren es 2024 nur noch 5.000 Euro. Die Gründung einer Stiftung soll nun helfen, auch in Zukunft die notwendigen Mittel für die Arbeit der Lebenshilfe aufzubringen und das breite Angebot zu erhalten und weiter auszubauen.
Der Vorstand der Lebenshilfe beschäftigt sich bereits seit geraumer Zeit intensiv mit dem Thema, hat sich rechtlich beraten lassen und bei anderen Stiftungen informiert. „Es gibt viele Menschen, die keine Kinder oder nahestehenden Menschen haben, und ihr Vermögen sinnvoll einsetzen möchten“, sagte Thomas Bastian, der als Vorstandsmitglied den Prozess ehrenamtlich begleitet und berät. Eine Stiftung biete anders als ein Verein eine ideale rechtliche Struktur, um größere Spenden und Nachlässe langfristig wirkungsvoll einzusetzen.
Dabei könnte der Schwerpunkt der Stiftung im Bereich Wohnen liegen, denn sozialer und inklusiver Wohnraum ist knapp und die Nachfrage danach steigt. Allein auf der Warteliste der Lebenshilfe für die Grafschaft stehen dafür aktuell mehr als 200 Menschen. Als positives Beispiel nannte Vorstandmitglied Jutta Lübbert die „Stiftung Lebenshilfe Frankfurt“. Sie wurde 2001 gegründet und besitzt mittlerweile 29 Appartements in Frankfurt, in denen Menschen mit Beeinträchtigungen selbstbestimmt leben können. Den Beschluss darüber, ob die Lebenshilfe für die Grafschaft eine eigene rechtsfähige Stiftung gründen wird, werden die Mitglieder im Februar 2026 fällen.